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BND-Chef will Nachrichtendienst verschlanken

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BND-Chef will Nachrichtendienst verschlanken

BND-Chef Gerhard Schindler wünscht sich eine Behörde mit kleinerem Fokus. Künftig solle sich der BND auf weniger Regionen konzentrieren und mehr auf die Hilfe anderer Dienste zählen.

Von Florian Flade

Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, will seine Behörde zum Teil neu ausrichten. Der deutsche Auslandsgeheimdienst müsse sich auf weniger Regionen beschränken.

“Ich denke, es ist besser, weniger Aufgaben richtig, nämlich zu 100 Prozent, zu erfüllen, als viele Aufgaben nur halb”, zitierte die “Welt” Schindler aus einer Rede bei der nicht öffentlichen 1. Nachrichtendienst-Konferenz in Berlin, einer Veranstaltung für ehemalige Geheimdienst-Mitarbeiter und Fachleute, die vom Verein Gesprächskreis Nachrichtendienste in Deutschland e.V. und dem “Behörden Spiegel” organisiert wird.

Der BND müsse sich aufgrund der beschränkten Möglichkeiten in den vernachlässigten Regionen künftig noch stärker auf die Analyse befreundeter Geheimdienste verlassen als ohnehin schon, sagte Schindler weiter. In anderen Teilen der Welt, etwa in Syrien, sei der BND allerdings selbst gut organisiert und verfüge über gute, eigene Informationen.

Der Geheimdienstchef räumte bei seiner Rede auch eigene Fehler ein. Den Beginn des “arabischen Frühlings” beispielsweise, ausgelöst durch die Selbstverbrennung des tunesischen Gemüsehändlers Mohamed Bouazizi im Januar 2011, habe der Geheimdienst nicht früh genug als das erkannt, was es war.

Bessere Vernetzung der Arbeitsgruppen

“Ich bin sicher, es ist von einem Auslandsdienst zu viel verlangt, den Tropfen erkennen zu sollen, der das Fass zum Überlaufen bringt”, so Schindler. “Aber: Ich denke, Ziel sollte schon sein, den Wasserstand im Fass halbwegs richtig einschätzen zu können.”

Dies könne nur geschehen, in dem sich unterschiedliche Fachbereiche innerhalb des BND in “Arbeitsgruppen” stärker vernetzten. Bestimmte Ereignisse oder Entwicklungen müssten ganzheitlich analysiert werden.

Die Thesen Schindlers sind eine Folge der Affäre um den US-Geheimdienst NSA aus diesem Sommer, in deren Verlauf die enge Kooperation des BND mit ausländischen Geheimdiensten publik wurde. Der BND-Chef hatte sich bislang dazu öffentlich nur spärlich geäußert. Nun traute er sich mit einem vergleichsweise großen Wurf zumindest vor ein Fachpublikum.

Konferenz am 13. September

Die 1. Nachrichtendienst-Konferenz mit handverlesenen Teilnehmern fand bereits am 13. September statt. Inzwischen findet sich Schindlers Rede auf der Website des BND. Ob Schindler seine Thesen allerdings noch persönlich in die Praxis umsetzen kann, ist unsicher. Der BND-Chef ist bereits 61 Jahre alt.

Um sich selbst zu verbessern, müsse die Personalpolitik seines Dienstes modernisiert werden, sagte Schindler. Es gäbe derzeit zwar viele qualifizierte Bewerber für offene Stellen im BND. “Aber die Konkurrenz schläft nicht! Wenn wir die demografische Entwicklung nicht verschlafen wollen, müssen wir uns bereits jetzt bemühen, attraktiver zu werden.”

Dazu gehöre auch, das Einstellungsverfahren, besonders die Vorauswahl von Bewerbern, zu beschleunigen. “Derzeit dauert ein Einstellungsverfahren manchmal über ein Jahr. Das werden wir uns zukünftig nicht mehr leisten können.”

6500 Mitarbeiter derzeit

Derzeit verfügt der BND über rund 6500 Mitarbeiter, darunter circa 90 Auszubildende. Gefragt sind seit Jahren sowohl Fachleute im IT-Bereich und in technischen Berufen als auch Personen mit besonderen Sprachkenntnissen.

Wer sich beim BND bewirbt, unterläuft ein sehr hartes Auswahlverfahren und eine anschließende Sicherheitsüberprüfung (SÜ), bei der auch das Privatleben der Bewerber durchleuchtet wird.

Schindler kündigte an, dass der BND seine Öffentlichkeitsarbeit verstärken und künftig mehr Informationen preisgeben werde. So sollen neben Journalisten auch Laien bei verschiedenen Veranstaltungen einen Einblick in die Arbeit des Geheimdienstes erhalten.

“Lamentieren, dass man zum Beispiel von den Medien missverstanden wird, ist fehl am Platz”, erklärte der BND-Präsident. “Wir müssen unsere Öffentlichkeitsarbeit deutlich optimieren. Wir sind gefordert! Nicht die anderen!”

“Uns ist es in den letzten Jahren offensichtlich nicht gelungen, die Dimension der internationalen Zusammenarbeit im nachrichtendienstlichen Alltag Dritten zu vermitteln”, sagte Schindler. “Die internationale Zusammenarbeit ist Alltag, ist Routine geworden. Wir haben gemeinsame Operationen, wir tauschen unsere Analysen aus und manchmal auch unsere Rohdaten. Wir gleichen ab, fügen die Puzzleteile zusammen und verbessern gegenseitig unsere Lagebilder. Jeden Tag.”

Zusammenarbeit weitgehend akzeptiert

Auf politischer und militärischer Ebene sei eine enge Zusammenarbeit von befreundeten Staaten und Behörden weitestgehend akzeptiert und anerkannt – beispielsweise im Fall von Nato, Isaf oder G-8. Bei Geheimdiensten werde dies meist mit Skepsis betrachtet. “In der Öffentlichkeit besteht vielfach noch ein Bild über uns, das mit unserem Tun nicht viel gemein hat”, sagte der BND-Präsident. “Die Diskussionen der letzten Tage und Wochen haben dies deutlich gezeigt.”

Dabei sei eine verstärkte parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste zu begrüßen, so Schindler, um Transparenz und Vertrauensbasis zu stärken. “Dass die Öffnung nach außen für einen Geheimdienst immer eine Gratwanderung ist, ist klar. Aber es führt kein Weg daran vorbei.”

Innerhalb des BND sei im vergangenen Jahr bereits viel für eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit getan worden. Doch das reiche nicht, mahnte Schindler: “Wir wollen nicht mystifiziert werden, sondern für das genommen werden, was wir sind: ein fest im gesellschaftlichen System verankerter Dienstleister.”

Geheimniskrämerei an der falschen Stelle, sei unangebracht. Dabei nannte der BND-Präsident ein konkretes Beispiel: die Außenstellen des BND, also jene Einrichtungen, die nach außenhin als zivile oder militärische Einrichtungen getarnt sind, eigentlich aber zum Geheimdienst gehören. “Es macht keinen Sinn, dass die Außenstellen weiter unter einer Legendenstruktur geführt werden, wenn im Internet ihre Zugehörigkeit zum BND bereits nachzulesen ist.”

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