BND verweigert Auskunft zum Kampfstoff Nowitschok
Es ist ein farbloser Stoff von öliger Konsistenz. Wie er riecht, weiß keiner so genau. Denn wer Nowitschok zu nahe kam, starb meist kurz darauf. Eine tödliche Chemiewaffe, entwickelt in den geheimen Labors der Sowjetunion.
Im Frühjahr tauchte Nowitschok ganz plötzlich wieder auf: Der russische Ex-Spion Sergej Skripal und seine Tochter Yulia waren im südenglischen Salisbury mit dem Kampfstoff vergiftet worden – und überlebten. Großbritannien macht Russland für den gescheiterten Anschlag verantwortlich. Der Kreml wiederum weist jegliche Verantwortung zurück. Wir wollten nun erfahren, was der BND über das Gift weiß.
Im Juli haben wir in einem Titelthema der WELT am Sonntag über das Gift Nowitschok, seine Herkunft, seine Erfinder und seine Opfer berichtet. Den Artikel können Sie hier nachlesen: Das Gift – Wie ein Kampfstoff aus der Sowjetunion eine weltpolitische Krise auslöst
An einer Stelle unseres Textes gehen wir auch darauf ein, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) Ende der 1990er-Jahre in den Besitz von Nowitschok gelangt war. Ein russischer Überläufer, ein Wissenschaftler aus einem Geheimprogramm, hatte sich den Deutschen als Quelle angeboten und erklärt, er könne eine bis dato unbekannte Chemiewaffe beschaffen.
Der BND ging damals – in Abstimmung mit dem Kanzleramt – auf den Vorschlag ein. Eine heikle Operation: Konnte man eine russische Chemiewaffe einfach so in die Bundesrepublik bringen? Man entschied sich schließlich für einen anderen Weg: Die Frau des Überläufern brachte die Proben der tödlichen Substanz im Handgepäck per Flugzeug von Russland nach Schweden. In einem dortigen Labor war das Gift dann untersucht worden.
Im August 2001 hatte die schwedische Zeitung „Expressen“ bereits über diese abenteuerliche Operation berichtet. Die „Zeit“ griff die Aktion dann im Mai anlässlich der Skripal-Vergiftung nochmals auf. Und der BND berichtete selbst gegenüber Parlamentariern in vertraulicher Runde über die damalige Nowitschok-Beschaffung.
Wir wollten vom BND wissen, was eigentlich mit den Nowitschok-Proben geschehen ist, die Ende der 1990er Jahre vom russischen Überläufer beschafft worden waren. Mit Bezug zum Umweltinformationsgesetz (UIG) und mit Verweis auf den Artikel in der „Zeit“ vom Mai 2018, fragten wir daher nach dem Verbleib und der etwaigen Vernichtung oder Lagerung des Kampfstoffes.
Am 10. August 2018 bekamen wir eine Antwort aus Pullach: „Der Antrag wird gemäß § 8 Absatz 1 Nummer 1 UIG abgelehnt“. Nachfolgend veröffentlichen wir die Absage in vollem Wortlaut.
Interessant dabei: Laut BND ist der Umgang und der Verbleib von Nowitschok prinzipiell durch das UIG gedeckt. Sprich: Dazu muss eigentlich Auskunft erteilt werden. Andererseits seien die Nachrichtendienste und deren Arbeit „bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit“. Bei Preisgabe solcher Informationen sei „die Funktionsfähigkeit des Staates“ eingeschränkt.
Es bleibt also weiterhin unklar, was mit den Proben der Chemiewaffe damals geschehen ist. Ob sie tatsächlich in Schweden verblieben sind, oder nicht vielleicht doch irgendwann ihren Weg in die Labors des BND nach Pullach oder Berlin fanden.