Wer ist der deutsche Taliban-Kämpfer Thomas K.?
Die afghanischen und US-amerikanischen Soldaten, die Ende Februar ein Taliban-Versteck in der Provinz Helmand stürmten, wunderten sich: Da war ein Europäer unter den Islamisten, ein Deutscher offenbar.
Die Männer zückten ihre Mobiltelefone und machten Fotos und Video von ihrem ungewöhnlichen Fang. „Ich kann Deutsch sprechen“, sagte der Mann mit dem rotbraunen Bart und blickte müde und verängstigt in die Handykamera. „Ich bin hierher gekommen, um den islamischen Lebensstil zu studieren.“
Die Meldung verbreitete sich rasend schnell in afghanischen Medien. „Deutscher Taliban-Kämpfer gefasst“, hieß es da. Die lokalen Sicherheitskräfte brachten den Deutschen schließlich nach Kandahar. Gerüchte machten die Runden, er habe als „militärischer Berater“ für die Taliban gearbeitet.
Schließlich bekam der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) einige Informationen aus Afghanistan. Die Behörden übermittelten die Daten zu dem festgenommenen Deutschen. Bei ihm soll auch ein deutscher Reisepass gefunden worden sein. Es handelte sich demnach offenbar um Thomas K., geboren im Juni 1981, zuletzt wohnhaft in Worms (Rheinland-Pfalz).
WELT hat am 1. März exklusiv über die Festnahme des deutschen Taliban-Kämpfers berichtet. Lesen Sie hier: Deutscher Taliban-Kämpfer in Afghanistan gefasst
Mittlerweile hat der Generalbundesanwalt in Karlsruhe die Ermittlungen gegen Thomas K. übernommen, wie der SWR in dieser Woche vermeldete. Es geht um den Vorwurf der Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 129b Strafgesetzbuch).
Für deutsche Sicherheitsbehörden ist Thomas K. kein Unbekannter. Schon Anfang der 2000er-Jahre geriet der Konvertit ins Visier der Terrorermittler. Die Staatsanwaltschaft Koblenz ging jahrelang dem Verdacht nach, dass K. Spendengelder für die Gruppierung „Islamic International Brigade“ (IBB) gesammelt haben soll, die sich auf der UN-Sanktionsliste gegen Terrorfinanzierung befindet.
Die Organisation soll unter anderem radikalislamische Kämpfer im Kaukasus unterstützt haben. Beweise für eine Terrorfinanzierung fanden die Ermittler jedoch nicht. Ein Verfahren, das 2006 eingeleitet worden war, wurde 2011 wieder eingestellt.
Thomas K. stand allerdings weiter im Visier des rheinland-pfälzischen Landeskriminalamtes (LKA) und des Verfassungsschutzes. Zwischen 2007 und 2010 soll der Islamist mehrfach zu Sprach- und Pilgerreisen nach Ägypten und Saudi-Arabien gereist sein. Ende 2012 setzte sich K. dann offenbar nach Pakistan ab. Über den Flughafen Frankfurt am Main soll er zunächst nach Istanbul, und dann weiter ins pakistanische Karachi gereist sein. Seine Reise führte wohl in den Nordwesten Pakistans, in die Stammesgebiete von Waziristan.
2014 warnte das BKA vor einem Anschlag
Zwischen 2005 und 2012 waren zahlreiche Islamisten aus Deutschland in das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet gereist, um in paramilitärischen Terrorlagern eine Ausbildung zu absolvieren. Die meisten Dschihadisten schlossen sich entweder der Al-Qaida, der Islamischen Bewegung Usbekistans (IBU) oder der Islamischen Jihad Union (IJU) an. Zeitweise gab es zudem eine kleine Splittergruppe, die sich „Deutsche Taliban Mudscheddin“ (DTM) nannte.
Im Jahr 2014 erreichten deutsche Sicherheitsbehörden erstmals Informationen, wonach sich Thomas K. offenbar weder der Al-Qaida noch der IBU angeschlossen hatte, sondern dem sogenannten Haqqani-Netzwerk der Taliban.
In Deutschland erwirkte die Justiz daraufhin einen Haftbefehl gegen Thomas K. wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a Strafgesetzbuch). Das Bundeskriminalamt (BKA) warnte im November 2014 sogar vor einem Attentat. In einem Rundschreiben an internationale Einrichtungen in der afghanischen Hauptstadt Kabul, über das WELT damals berichtet hatte, hieß es, der deutsche Islamist sei gefährlich und plane womöglich einen Selbstmordanschlag.
Ob der rheinland-pfälzische Konvertit tatsächlich an Terrorakten in Afghanistan oder Pakistan beteiligt war, ist derzeit nicht bekannt. Bei seiner Festnahme sollen auch mehrere Waffen, Munition und militärische Ausrüstungsgegenstände gefunden worden sein. Afghanische Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass der Deutsche als eine Art „militärischer Berater“ für die Taliban tätig war. Möglicherweise für die sogenannte “Roten Einheit” des inzwischen getöteten Taliban-Kommandeurs Mullah Shah Wali alias “Haji Nazir”.
Aktuell befindet sich Thomas K. noch in Afghanistan in Haft. Ob er nach Deutschland überstellt wird, ist noch unklar. Und auch ob deutsche Ermittler den Extremisten vor Ort vernehmen dürfen, steht noch nicht fest.