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Deutsche Spione zu Gast bei Assad

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Deutsche Spione zu Gast bei Assad

Bildschirmfoto 2016-05-30 um 12.01.42

Antwort der Bundesregierung an Kleine Anfrage der Partei Die Linke

 

Am frühen Morgen des 21. August 2013 kam der Tod ins syrische Ghouta. In Form von beißenden, ätzenden weißen Wolken. Wohl mehr als 1000 Menschen starben an jenem Tag durch das Giftgas Sarin. Wie viele Tote es bei den Raketenangriffen in dem Vorort südöstlich der syrischen Hauptstadt Damaskus wirklich gab, ist bis heute unklar. Und auch wer den Einsatzbefehl gab, ist nicht abschließend geklärt.

„Wir sind stolz auf unsere Leistungsfähigkeit, die sich jetzt gerade in Sachen Syrien erneut beweist“, sagte nur rund drei Wochen später der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, bei einer Rede in Berlin. Leistungsfähigkeit in Syrien? Was meinte der Chef des deutschen Auslandsgeheimdienstes?

Anfang September sprach Schindler vor dem geheimtagenden Parlamentarischen Kontrollgremium über den Giftgaseinsatz von Ghouta. Sichtlich stolz präsentierte er in einem rund halbstündigen Vortrag die Erkenntnisse seines Geheimdienstes.

Beim BND waren bereits kurz nach den ersten Meldungen aus Syrien die Fachleute zusammen gekommen. Mediziner, Rüstungsexperten, Spione und Techniker werteten Videoaufnahmen, Satellitenbilder, abgehörte Telefonate und Quellenmeldungen aus. Ihre Vermutung: Das syrische Regime war für den Giftgasangriff verantwortlich. Ein ranghoher Hisbollah-Kommandeur sprach davon in einem abgefangenen Telefonat. Assad seien wohl die Nerven durchgebrannt.

In Syrien tobt seit Jahren einer der schlimmsten Bürgerkriege der vergangenen Jahrzehnte. Hunderttausende Menschen starben bereits, Millionen sind auf der Flucht. Hinzu kommen die tausenden Dschihadisten aus aller Welt, die in den Terrorcamps von IS, Al-Qaida und anderen Gruppen gedrillt werden. Eine humanitäre und sicherheitspolitische Katastrophe, deren Ende nicht absehbar ist.

Für die europäischen Geheimdienste, die voller Angst vor Terroristen auf Syrien blicken, erweist sich das Land als eine immense Herausforderung. Es ist schwierig angesichts von Chaos und Instabilität die nötigen Informationen zu gewinnen – die Zugänge sollen schlechter sein als in anderen Krisenherden zuvor. Auch weil inzwischen viele Player im Bürgerkrieg mitmischen: Russland, Iran, Hisbollah, Türkei, Saudi-Arabien und andere. Die wenigen Informationen, die Geheimdienste generieren, werden nur ungern geteilt. Vielleicht auch deshalb nähern sich seit einiger Zeit die Spione aus Europa wieder dem eigentlich geächteten Regime von Präsident Baschar al-Assad an.

In der vergangenen Ausgabe der WELT am Sonntag haben Manuel Bewarder und ich darüber berichtet, wie auch der BND offenbar wieder Kontakte knüpft zu Assad und seinen Schergen. Meldungen, wonach sogar der BND-Präsident selbst nach Syrien geflogen ist, sind wohl nicht korrekt. Aber es soll dennoch geheime Reisen der deutschen Agenten geben. Auf dem Landweg. In Konvois von der BND-Residentur in Beirut bis nach Damaskus. Bei den Gesprächen zwischen den Deutschen und den Syrern soll es in der Vergangenheit um die Terroristen des IS gegangen sein, aber auch um verschleppte deutsche Staatsbürger, wie etwa den Journalisten Armin Wertz

Früher bereits gab es eine engere Zusammenarbeit zwischen dem Assad-Regime und den deutschen Geheimdiensten. Insbesondere nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Syrien wurde damals als Verbündeter im Kampf gegen Al-Qaida erachtet. Als “Kirschenessen mit dem Teufel”, bezeichnete Thomas de Maizìere, damals Chef des Bundeskanzleramts, diese Zusammenarbeit. Im Mai 2002 besuchte eine Delegation unter Leitung des damaligen BND-Präsidenten August Hanning Damaskus. Nur zwei Monate später reiste Assads Schwager, General Asif al-Schaukat, damalig stellvertretender Leiter des militärischen Geheimdienstes, nach Deutschland und besuchte sowohl den BND, als auch das Bundeskanzleramt, das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und das Bundeskriminalamt (BKA).   

Deutschlands Agenten haben im Nahen Osten einen guten Ruf. Und das Assad-Regime sucht gleichzeitig wieder Kontakt zum Westen. Man kommt sich näher. Ein Zweckbündnis, von dem sich beide Seiten offenbar viel erhoffen. Und tatsächlich half der syrische Diktator den Europäern bereits im Anti-Terror-Kampf. Das Regime übermittelte schon im Sommer 2014 über die Interpol-Stelle in Damaskus eine Liste mit 3800 Nummern von syrischen Blanko-Pässen, die in die Hände der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) gefallen waren. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linke-Bundestagsfraktion hervor. 

Die Information war wertvoller als einige Vertreter der Sicherheitsbehörden auch hierzulande zunächst glauben wollten. Wie wertvoll, das wurde erst nach dem 13. November 2015 klar, als IS-Terroristen in Paris mehr als 100 Menschen ermordeten. Mindestens zwei der Attentäter waren als Flüchtlinge getarnt mit verfälschten syrischen Pässen nach Europa eingereist – Pässe ausgerechnet aus der Tranche, vor der Assad gewarnt hatte.

BND-Präsident Schindler wird am 01. Juli seinen Posten räumen. Zuvor aber ist er noch einmal Gastgeber. Und zwar beim alljährlich stattfindenden BND-Sommerfest in Berlin. Geladen sind, natürlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit, die Vertreter der ausländischen Geheimdienste in Deutschland. Es dürften viele Gäste kommen, denn der BND unterhält Kontakte zu 451 Diensten in 167 Staaten. Wer weiß: Vielleicht sind ja dieses Mal auch die Syrer dabei.

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